Wundversorgung: Tape imitiert Gecko-Füße | PZ - Pharmazeutische Zeitung

2021-12-14 18:11:59 By : Ms. Wendy Chen

Klebeband imitiert Gecko-Füße

Bisher nähten Chirurgen größere Wunden mit Nadel und Faden. In Zukunft könnten sie sie einfach zukleben. Forscher aus den USA und der Schweiz haben ein abbaubares medizinisches Tape entwickelt, das die Struktur von Gecko-Füßen nachahmt.

Geckos scheinen mit Leichtigkeit glatte Wände zu erklimmen. Und ohne viel Kraftaufwand können Sie mit einem Finger an der Decke schwingen. Die anatomischen Grundlagen dieser fast übernatürlichen Haftkraft sind seit einiger Zeit bekannt. Die Fußsohlen der Tiere sind von Millionen von sogenannten Setae besetzt, winzigen Härchen, die kürzer sind als der Durchmesser von zwei menschlichen Haaren. Die Setae verzweigen sich in etwa tausend noch kleinere Ballen: Mit diesen Fußhaarballen, den Spateln, haftet der Gecko fest am Boden, da sich die extrem flexible und große Oberfläche des Geckosfüßchens förmlich an den Boden schmiegt. Jede Vertiefung, jede Erhebung, jede Kurve ist ausgefüllt. Es gibt Molekül zu Molekül und Atom zu Atom, der Geckofuß auf der einen Seite und die Wand auf der anderen. Das sind ideale Voraussetzungen für ein auf Van-der-Waals-Kräften basierendes Zusammenspiel: Die Elektronen in den Molekülen und Atomen synchronisieren ihre Bewegungen, sodass zwischen ihnen und den ruhenden Kernen eine elektrische Anziehungskraft besteht. In Einzelfällen eine äußerst schwache Wirkung, aber in der Menge mehr als ausreichend, um ganze Geckos über Kopf und ohne Kleber „kleben“ zu lassen.

Das funktioniert aber nur, wenn alles trocken ist. Denn das Wechselspiel zwischen Fußmolekülen und Wandatomen findet ein jähes Ende, wenn Wasser die elektrischen Nanokräfte stört. Selbst feinste Wasserfilme verhindern den direkten Kontakt, der für den Van-der-Waals-Effekt unerlässlich ist, und der Gecko fällt herunter. Sein Klebesystem ist nicht wasserdicht.

Wissenschaftler der Universität Genf haben in Zusammenarbeit mit Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA eine Gecko-Oberfläche entwickelt, die auch bei Kontakt mit Wasser klebt, berichtet die Universität Genf in einer Pressemitteilung. „Unser Ziel war es, ein Polymer zu entwickeln, das haftfähig, elastisch und auch in feuchter Umgebung abbaubar ist“, erklärt Dr. Andreas Zumbühl vom Institut für Organische Chemie der Universität. "Wir mussten auch Materialien verwenden, die bereits von der US-amerikanischen Food and Drug Administration zugelassen waren."

Bei der Entwicklung ihres Klebebandes ahmten die Wissenschaftler die Nanotopographie von Geckosfüßen nach. „Wir haben uns vom Prinzip der Haftung an den zahlreichen Splisshaaren an der Unterseite der Gecko-Füße und damit einer deutlich größeren Fläche für die Haftung inspirieren lassen und haben uns dieses Prinzip zu Grunde gelegt“, so Zumbühl. Mit lithografischen Verfahren stellten die Forscher zunächst Oberflächen aus Poly-Glycerin-Sebacat-Acrylat (PGSA) mit kleinen, flachen Spitzen her.

Anhand von Schweinedarmgewebe testeten die Forscher in vitro, welcher Säulenabstand zur optimalen Haftfestigkeit führte. „Der Unterschied zu den Gecko-Füßen besteht darin, dass sich der Gecko innerhalb von zehn Millisekunden bewegt und die Haftung nicht so groß ist, dass er dauerhaft klebt“, sagt Zumbühl. „Die Haftkraft unseres Klebers ist daher viel stärker als die des Geckofußes.“

Anschließend beschichteten die Wissenschaftler die PGSA-Oberfläche mit einem haftverstärkenden Zuckerpolymer, einem Dextran (Dextranaldehyd, DXTA), das Aldehydgruppen trägt. Dadurch kann der Klebestreifen über einen längeren Zeitraum, dh bis zum Ende des Heilungsprozesses, in einer feuchten Umgebung verbleiben. Die verbesserten Hafteigenschaften beruhen auf der Reaktivität der Aldehydgruppen: Sie verbinden sich mit Hydroxylgruppen von PGSA zu Halbacetalen und mit Aminogruppen von Gewebeproteinen zu Iminen.

Im Rattenexperiment habe sich das Verbandmaterial bewährt, berichten die Forscher in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (Band 105, Seiten 2307 bis 2312). Die Haftung des Verbandes war sehr stark. Das Material war gut verträglich; die Tiere zeigten nur eine leichte und harmlose Entzündung. Die Forscher konnten auch zeigen, dass Cholinesterasen, die in menschlichen Makrophagen vorkommen, den Gecko-Kleber vollständig abbauen können. Es besteht dringender Bedarf an solchen abbaubaren, elastischen Bändern, sagt Zumbühl. Der Hightech-Verbund soll unter anderem im Betrieb eingesetzt werden. Das Nähen zum Verschließen einer Wunde kann überflüssig werden. Das Verbandmaterial eignet sich auch zur Blutstillung bei der Wundbehandlung und kann Geschwüre und Verbrennungen abdecken. In das Material können Medikamente oder Wachstumsfaktoren eingebracht werden, die die Wundheilung beschleunigen. Denkbar ist auch, dass die Klebebänder Hohlorgananastomosen (Wiedervereinigungen von Hohlorganstümpfen nach Teilresektionen) wasserdicht machen oder dass Hernien (Darmhernien) durch die Implantation eines Maschennetzes aus Klebebändern stabilisiert werden. Das Forschungsteam geht davon aus, dass das Verbandmaterial in den nächsten fünf Jahren breite Anwendung finden wird.

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